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Auffahrunfall – Wer trägt die Schuld?

Auffahrunfälle sind in Deutschland keine Seltenheit. Viele Menschen gehen davon aus, dass immer die auffahrende Person die alleinige Schuld am Unfall trägt. Doch das ist nicht immer der Fall. Hier erfahren Sie, wie bei einem Auffahrunfall die Schuld ermittelt wird und welche Verkehrsregeln missachtet wurden.

Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit und schon ist es passiert: Der Auffahrunfall gehört zu den häufigsten Verkehrsunfällen in Deutschland. Während manche Auffahrunfälle nur ein paar Schrammen und Kratzer am Auto nach sich ziehen, enden andere in schweren Massenkollisionen.

Unfallbeteiligte gehen in der Regel davon aus, dass stets die auffahrende Person am Auffahrunfall die alleinige Schuld trägt. In der Realität ist es nicht ganz so einfach, denn auch der Unfallbetroffene kann den Auffahrunfall mit verursacht haben.

Die Schuldfrage muss also geklärt werden, ehe die Schadensregulierung beginnen kann.

Ist die Schuldfrage bei einem Auffahrunfall immer eindeutig?

Kurz gesagt: Nein. Zwar geht der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus, dass die auffahrende Person Schuld am Unfall trägt (Anscheinsbeweis), doch nicht immer lässt sich die Situation so einfach bewerten. Kann die Schuldfrage nicht durch die betroffenen Personen am Unfallort geklärt werden, sollten Sie unbedingt die Polizei informieren. Diese wird entsprechende Beweise sichern und anhand der Zeugenaussagen zur Beantwortung der Schuldfrage beitragen.

Unter Umständen trifft auch die Person eine Teilschuld, auf deren Fahrzeug aufgefahren wurde – zum Beispiel, wenn ohne konkreten Anlass plötzlich stark gebremst wurde. Abschließend kann die Schuldfrage dann aber erst in einem möglichen Prozess geklärt werden. 

Wer trägt die Beweispflicht bei einem Auffahrunfall?

Aufgrund des Anscheinsbeweises liegt die Beweispflicht bei einem Auffahrunfall grundsätzlich bei demjenigen, der auf ein anderes Kraftfahrzeug aufgefahren ist. Sind Sie also davon überzeugt, dass der Unfall hätte vermieden werden können, wenn die vorausfahrende Person nicht plötzlich und ohne Grund stark gebremst hätte, so sind Sie als Auffahrender dazu verpflichtet, diesen Sachverhalt zu beweisen. Es ist sinnvoll, im näheren Umfeld des Unfalls nach Zeugen zu suchen, die ein mögliches Fehlverhalten des vorausfahrenden Fahrers bestätigen können. 

Welche Verkehrsregeln wurden missachtet, wenn es zu einem Auffahrunfall kam?

Obgleich die Schuldfrage bei jedem Auffahrunfall individuell geklärt werden muss, geht der Gesetzgeber zunächst davon aus, dass die auffahrende Person auch gleichzeitig der Unfallverursacher ist.

Diese Annahme beruht auf dem sogenannten Anscheinsbeweis: Aufgrund bisheriger Erfahrungswerte liegt der Schluss nahe, dass auffahrende Verkehrsteilnehmer die Schuld am Auffahrunfall tragen.

Genauer ist dies in § 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt: 
„(1) Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.“

Da der Kraftfahrer zudem verpflichtet ist, seine Fahrweise so einzurichten, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann, wenn ein Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht, § 3 Abs. 1 StVO, lässt die Erfahrung bei einem Aufprallen auf ein solches Hindernis zunächst den Schluss zu, dass die Ursache dafür in einer schuldhaften Verletzung dieser Verpflichtung zu sehen ist.

Kurz gesagt: Auch wenn das Fahrzeug vor Ihnen plötzlich bremst und es aufgrund des unvorhersehbaren Ereignisses zu einem Auffahrunfall kommt, tragen Sie als auffahrende Person grundsätzlich die Schuld – denn augenscheinlich war der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ausreichend gegeben. Andernfalls hätten Sie rechtzeitig auf das plötzliche Bremsen reagieren und den Auffahrunfall vermeiden können.

Wenn es um die Missachtung der Verkehrsregeln bei einem Auffahrunfall geht, ist daher die Abstandsregel der häufigste Verstoß. Aber auch bei ausreichend Abstand kann es zu einem Auffahrunfall kommen, wenn die auffahrende Person unachtsam fährt, den Straßenverkehr nicht im Blick behält oder durch andere Dinge abgelenkt wurde – zum Beispiel bei der Nutzung des Smartphones am Steuer.

Wie verhalte ich mich nach einem Auffahrunfall korrekt?

Kam es zu einem Auffahrunfall, sollte zunächst die Unfallstelle gesichert werden. Da die Fahrzeuge zur Klärung des Sachverhaltes anhalten müssen, sollte dies abseits des regulären Straßenverkehrs geschehen.

Zur Sicherung der Unfallstelle sollten der Warnblinker eingeschaltet und das Warndreieck korrekt aufgestellt werden, um weitere Unfälle und Kollisionen zu vermeiden.

 

Auch Warnwesten sind sinnvoll, wenn weitere Verkehrsteilnehmer am Unfallort unterwegs sind. Die Sicherung der Unfallstelle und der Unfallbeteiligten hat stets die höchste Priorität!

Richtiges Verhalten bei einem Auffahrunfall mit Blechschaden

  1. Verlassen Sie nicht den Unfallort. Ein frühzeitiges Entfernen vom Unfallort kann als Fluchtversuch gewertet werden und später strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (§ 142 StGB). Ausnahmen gelten nur dann, wenn dringende Umstände das Verlassen erfordern – zum Beispiel, weil Sie verletzten Personen abseits des Unfallortes zur Hilfe eilen möchten.
  2. Rufen Sie die Polizei. Grundsätzlich gibt es keine Verpflichtung, bei einem Auffahrunfall mit Blechschaden die Polizei zu kontaktieren. Zur Klärung der Schuldfrage und aus späteren Haftungsgründen ist es dennoch sinnvoll.
  3. Rufen Sie Ihre Versicherung an. Eine unverzügliche Schadensmeldung beschleunigt nicht nur die anschließende Bearbeitung des Falles, sondern hilft Ihnen auch dabei, wertvolle Beweise zu sichern. Bei der Telefon-Hotline Ihrer Versicherung erhalten Sie in der Regel auch am Telefon schon wertvolle Hinweise darauf, welche Beweise für die Bearbeitung erbracht werden müssen.
  4. Notieren Sie sich selbst alle wichtigen Daten. Das können die Kontaktdaten und Ausweisinformationen aller Unfallbeteiligten sein, aber auch deren Nummernschilder und konkrete Schilderungen des Sachverhalts. Je mehr Zeit vergeht, desto verschwommener sind Ihre Erinnerung. Auch Handyfotos sind für die Dokumentation des Unfalls sinnvoll.
  5. Räumen Sie die Unfallstelle, wenn alle relevanten Informationen ausgetauscht und Beweise gesichert wurden. 

Richtiges Verhalten bei einem Auffahrunfall mit Personenschaden

Anders sieht es natürlich aus, wenn es beim Auffahrunfall nicht nur zu einem Blechschaden kam, sondern auch zu einem Personenschaden. Auch hier sollte zum Selbstschutz zunächst die Unfallstelle gesichert werden.

Wichtig zu wissen: Sobald Personen bei einem Unfall verletzt wurden, können die erforderlichen Feststellungen nicht durch die Unfallbeteiligten allein getroffen werden. Hier sind Sie als Unfallbeteiligter dazu verpflichtet, umgehend die Polizei zu informieren. Im Anschluss gehen Sie wie folgt vor:

  1. Erste Hilfe leisten. Nachdem der Unfallort gesichert und Polizei und Rettungsdienst informiert wurden, sollten Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten Erste Hilfe leisten. Rechtlich sind Sie sogar dazu verpflichtet: Eine unterlassene, zumutbare Hilfeleistung ist nach § 323c StGB strafbar.
  2. Verlassen Sie nicht den Unfallort. Ein frühzeitiges Entfernen vom Unfallort kann als Fluchtversuch gewertet werden und später strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (§ 142 StGB). Ausnahmen gelten nur dann, wenn dringende Umstände das Verlassen erfordern – zum Beispiel, weil Sie verletzten Personen abseits des Unfallortes zur Hilfe eilen möchten.
  3. Auch bei einem Personenschaden muss im Anschluss der Unfall der Versicherung gemeldet werden. Sind Sie Unfallverursacher einer Massenkollision, ist auch das frühzeitige Kontaktieren eines Fachanwalts für Verkehrsrecht sinnvoll.

Muss nach einem Auffahrunfall die Polizei gerufen werden?

Bei einem Auffahrunfall mit Blechschaden muss die Polizei nicht zwangsläufig gerufen werden. Verständigen sich die Unfallbeteiligten darauf, die Schadensabwicklung intern mit den Versicherungen zu klären, ist dies ausreichend.

Kann die Schuldfrage nicht eindeutig beantwortet werden, sollte die Polizei jedoch zur Absicherung und zum Sammeln von Beweisen für einen möglichen Prozess informiert werden. 

Zwingend muss die Polizei nach einem Auffahrunfall gerufen werden, wenn es zu Personenschäden kam. Schon kleine Verletzungen müssen aus versicherungsrechtlichen Gründen dokumentiert werden – zumal Spätfolgen nicht immer ausgeschlossen werden können. 

Was gilt bei Massenunfällen?

Sicher haben Sie schon von Massenunfällen auf der Autobahn gehört. Als besonders riskante Situation gilt das Ende eines Staus. Kommt es hier zu Auffahrunfällen, sind in der Regel gleich mehrere Fahrzeuge betroffen – mitunter entstehen sogar lebensgefährliche Situationen. Auch hier gilt: Umgehend die Unfallstelle absichern, nachfolgende Fahrzeuge auf das Stauende aufmerksam machen und im Anschluss Hilfe rufen. 

Die Schuldfrage ist bei Massenunfällen mit Personenschäden besonders von Relevanz, da unter Umständen strafrechtliche Tatbestände greifen. So kann im Rahmen eines Massenunfalls eine fahrlässige Körperverletzung oder sogar fahrlässige Tötung – sofern es zu Todesopfern kam – in Betracht kommen. Hier muss also zwangsläufig die Polizei gerufen werden.

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