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Reißverschlussverfahren: Wie verhalte ich mich richtig?

Das Reißverschlussverfahren sorgt regelmäßig für Ärger im Straßenverkehr. Wenn von zwei Fahrspuren plötzlich nur noch eine befahrbar ist, sind Autofahrer dazu verpflichtet, sich auf dem verbliebenen Fahrstreifen koordiniert einzuordnen. Doch was bedeutet das genau? Und was ist, wenn es dabei zu einem Unfall kommt? 

Wenn eine Fahrbahn endet oder wegen eines Hindernisses nicht länger befahren werden kann, müssen die verbliebenen Fahrzeuge im Reißverschlussverfahren auf eine andere Fahrspur ausweichen. Verkehrsteilnehmer sind dazu verpflichtet, den betroffenen Fahrzeugen den Spurwechsel zu ermöglichen. Dabei kommt es im Alltag jedoch immer wieder zu Ärger: Wer darf zuerst fahren? Wer muss halten? Wer ist verantwortlich, wenn es zu einem Unfall kommt? In diesem Beitrag erfahren Sie alles Wissenswerte zum Reißverschlussverfahren. 

Wann wird das Reißverschlussverfahren angewendet?

Gemäß § 7 Abs. 4 StVO ist das Reißverschlussverfahren grundsätzlich immer dann anzuwenden, wenn… 

  • …eine Spur endet oder 
  • …eine Spur nicht durchgehend befahren werden kann (Hindernis, Stau, Unfall etc.). 

Diese Regelung gilt unabhängig davon, um welche Art von Straße es sich handelt. Das Reißverschlussverfahren muss automatisch angewendet werden, wenn sich zwei Fahrspuren auf eine Fahrspur verengen. Das gilt auch dann, wenn dies nicht durch ein Verkehrszeichen angekündigt wird. 

Reißverschlussverfahren – wie geht es richtig?

Das Reißverschlussverfahren beginnt erst unmittelbar an der Engstelle bzw. dort, wo eine Spur endet oder durch ein Hindernis blockiert wird. Hier müssen Fahrer der durchgehenden Spur die Fahrer auf dem endenden Fahrstreifen abwechselnd in den Straßenverkehr einfädeln lassen. Dies geschieht wechselseitig: Ist ein Fahrzeug von der endenden Spur eingefahren, darf das Fahrzeug auf der durchgängigen Spur weiterfahren. So setzt sich das Reißverschlussverfahren fort. Wichtig ist dabei vor allem, die Spur nicht zu früh zu wechseln, damit es nicht zu einer Behinderung des Verkehrsflusses kommt.  

Welche Schilder weisen auf das Reißverschlussverfahren hin?

Das Reißverschlussverfahren ist in der Straßenverkehrsordnung fest geregelt und muss daher immer angewandt werden, wenn der Verkehr dies erfordert. Es ist nicht zwingend nötig, dass ein Verkehrsschild das Reißverschlussverfahren ankündigt. Dennoch gibt es an einigen Stellen Schilder, die das Reißverschlussverfahren (manchmal mit Entfernungsangabe) ankündigen: 

Kann man beim Reißverschlussverfahren eine Vorfahrt erzwingen?

Wenn Sie sich als Verkehrsteilnehmer auf der eingeschränkten Fahrspur befinden und auf die fließende Spur einfahren möchten, darf das Einfädeln nicht erzwungen werden. Zwar sind die anderen Fahrer auf der fließenden Fahrbahn dazu verpflichtet, Ihnen den Spurwechsel zu ermöglichen allerdings steht hier die Unfallprävention an erster Stelle. Warten Sie ab, bis ein anderes Fahrzeug Ihnen Platz macht 

Ist es Nötigung, wenn Fahrer mich nicht einfädeln lassen?

Ermöglichen Fahrer kein Einfädeln, drohen Bußgelder. Als Nötigung könnte ein solches Verhalten gewertet werden, wenn ein Vorsatz erkennbar ist. Dieser Vorsatz ist zumindest dann gegeben, wenn das Einfädeln bewusst und wiederholt verhindert wird. Da es sich bei der Nötigung nicht mehr nur um eine Ordnungswidrigkeit, sondern um eine Straftat handelt, drohen in diesem Fall deutlich höhere Strafen. So können nicht nur Geldstrafen, sondern auch Freiheitsentzug und ein Fahrverbot, bis hin zum vollständigen Entzug der Fahrerlaubnis, die Folge sein. 

Welche Strafen drohen?

Verstoß

Strafe

Einordnen im Reißverschlussverfahren nicht ermöglicht und dadurch andere behindert

20 €

Einordnen im Reißverschlussverfahren wiederholt nicht ermöglicht und dadurch andere behindert – Nötigung

  • Geldstrafe

  • Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren (§ 240 StGB)

  • Drei Punkte in Flensburg

  • Fahrverbot (1 bis 3 Monate) oder  

  • Entzug der Fahrerlaubnis 

Wer haftet beim Reißverschlussverfahren?

Grundsätzlich gilt: Wenn Sie die Spur wechseln, müssen Sie aufmerksam den Verkehr im Blick behalten. Sie dürfen weder den Spurwechsel erzwingen noch automatisch davon ausgehen, dass der darauffolgende Fahrer das Einfädeln ermöglicht.  

Die Sorgfaltspflicht liegt also immer bei der Person, die die Spur wechseln möchte. Insofern haftet auch bei einem Unfall in der Regel derjenige, der von der eingeschränkten Spur auf die fließende Fahrbahn einfahren wollte. Diesen Vorgang bezeichnet man in der Rechtsprechung als Anscheinsbeweis. Der Anschein legt also nahe, dass der Spurwechsler im Falle eines Unfalls seiner Sorgfaltspflicht nicht nachkam und dadurch den Unfall verursacht hat.

Es gibt allerdings auch Fälle, in denen dem Fahrer auf der durchgehenden Spur zumindest eine Teilschuld eingeräumt wurde. Hier spricht man von einer anteiligen Mitschuld, die in der Regel dann besteht, wenn dieser bewusst das Einfädeln verhindert und seinen eigenen Vorrang erzwingen möchte. 

Was gilt bei Autobahnauffahrten?

Autobahnauffahrten sind gemäß StVO explizit vom Reißverschlussverfahren ausgenommen. Hier haben immer die Fahrzeuge Vorfahrt, die sich bereits auf der Autobahn befinden. Auffahrende Autos müssen warten, bis die Bahn frei ist und kein anderer Verkehrsteilnehmer bei der Einfahrt blockiert oder behindert wird. 

Umstritten ist außerdem, ob ein vorübergehendes Hindernis – beispielsweise durch einen Unfall – zum Reißverschlussverfahren verpflichtet. Hier ist sich bisher auch die Rechtsprechung uneinig: Gerichte haben derartige Situationen in der Vergangenheit unterschiedlich bewertet, sodass noch keine allgemeingültige Regelung zu finden ist.  

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