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Die Rechte der Dieselfahrer

Der Diesel-Skandal nimmt kein Ende. Während Autohersteller mit Software-Updates locken, reagieren betroffene Autoverkäufer verunsichert. Im Gespräch mit ACV Pressesprecherin Annabel Brückmann erklärt Rechtsanwalt Wolfgang Biermann, was Dieselfahrer jetzt wissen müssen.

ACV:Der Diesel-Gipfel setzt auf Software-Updates, Kaufprämien und einen Mobilitätsfonds. Aber hat er alle offenen rechtlichen Fragen geklärt?

Biermann: Der sogenannte Abgasskandal hat viele rechtliche Facetten. Dies führt dazu, dass durch die intensive Berichterstattung häufig der Überblick verloren geht.  Bei dem Diesel-Gipfel war offensichtlich erklärtes Ziel, ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge zu vermeiden. Die Rechte der Kunden, also der Käufer von Dieselfahrzeugen, sind dabei nur am Rande berücksichtigt worden. Die verkündeten Vereinbarungen und Zusicherungen liegen derzeit noch nicht in einer Form vor, die eine rechtliche Überprüfung erlaubt. Für die juristische Beurteilung ist jedoch ein – möglichst – konkreter Sachverhalt zugrunde zu legen.

ACV:Wie sehen Sie das beim VW-Abgas-Skandal?

Biermann: Beim VW-Skandal liegt ein konkreter Sachverhalt zugrunde, denn bei den betroffenen Pkws sorgt eine Schummelsoftware dafür, dass der Motor auf dem Prüfstand weniger Schadstoffe, vor allem weniger Stickoxide ausstößt. Im echten Fahrbetrieb ist der Motor dagegen auf Effizienz und Leistung getrimmt und stößt mehr Schadstoffe aus. Hier stellt  sich für die Käufer die Frage: Wie soll ich mich jetzt gegenüber dem Verkäufer und/oder dem Hersteller verhalten?

Betroffene stehen derzeit vor nicht abzuschätzenden Risiken.

ACV Rechtsanwalt Wolfang Biermann

ACV:Welche Rechte haben Käufer von betroffenen Dieselfahrzeugen?

Biermann: Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Unternehmen bei bestimmten Dieselmotoren getrickst haben. Nach dem jetzigen Kenntnisstand bestreiten zumindest einige Unternehmen Betrügereien und sprechen von technischen Fehlern.

Es ist somit bei der Beurteilung davon auszugehen, dass diese Fahrzeuge mit einem Mangel behaftet sind. Dies löst gemäß § 434 BGB Gewährleistungsansprüche nach § 437 ff. BGB aus.

Dazu gehören die Nacherfüllung, das bedeutet das Versetzen in einen vertragsgemäßen Zustand, der Rücktritt, also die Vertragsrückabwicklung bzw. die Rückgabe des Fahrzeuges gegen Erstattung des Kaufpreises oder die Minderung, sprich die Herabsetzung des Kaufpreises oder Schadenersatz. Damit ist der Ersatz eines Differenzschadens gemeint.

Hat der Hersteller für das Fahrzeug eine Garantie gegeben, können innerhalb des festgelegten Zeitraums auch Rechte gegen den Hersteller geltend gemacht werden. Maßgeblich sind die Garantiebedingungen.

ACV:Was würden Sie Betroffenen empfehlen?

Biermann: Bei der Entscheidung ist zu bedenken, dass neben der Mangelbeseitigung noch einige im Augenblick nicht abzuschätzende Probleme und Risiken bestehen. Dazu zählen: technische Risiken, zum Beispiel die verkürzte Motorlebensdauer, höhere Verbrauchswerte, Wertverlust und  erschwerter Wiederverkauf und nicht zuletzt mögliche Fahrverbote.

Auf dem Dieselgipfel ist seitens der Hersteller angeklungen, dass durch das Aufspielen der Software keine Nachteile entstehen würden. Solange dies nicht tatsächlich bewiesen ist und überprüfbare schriftliche Garantien vorliegen, ist der derzeit bekannte Sachverhalt zugrunde zu legen.

Ungeklärt ist auch die Frage, wer den sich eventuell ergebenden Wertverlust tragen muss. All diesen Problemen geht man aus dem Weg, wenn man den Kaufpreis zurückbekommt und das Auto zurückgibt.

Dagegen wehren sich die Unternehmen bisher vehement. Es gibt aber bereits eine Reihe von Gerichtsurteilen, in denen VW und verschiedene Händler verurteilt worden sind, die betroffenen Autos zurückzunehmen.

ACV: Wie finde ich heraus, ob mein Auto betroffen ist?

Biermann: Nicht jedes Dieselfahrzeug ist betroffen. Ob Ihr Auto betroffen ist, können Sie im Internet herausfinden. Dazu benötigt man die FIN, die Fahrzeug-Identifizierungsnummer, früher als Fahrgestellnummer bekannt. Diese findet man im Fahrzeugschein unter E oder im unteren Bereich der Windschutzscheibe.

Geben Sie die FIN im Internet auf der Seite des Unternehmens ein. Die betroffenen Unternehmen haben eine entsprechende Seite eingerichtet.

Sollten Sie Besitzer eines betroffenen Fahrzeuges sein, besteht Handlungsbedarf.

ACV: Wie lange können Dieselkäufer ihre Rechte geltend machen?

Biermann: Die Gewährleistungsansprüche unterliegen der Verjährung. Vom Autohersteller gegebene Garantien sind zeitlich begrenzt, daher ist zu klären, wann das Fahrzeug gekauft worden ist.

Für Privatleute gilt beim Kauf vom Händler für Neuwagen eine Frist von 2 Jahren und von mindestens einem Jahr für Gebrauchtfahrzeuge. Sind die Fristen noch nicht abgelaufen, empfehle ich umgehend mit dem Händler und/oder Unternehmen einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu vereinbaren. Vorsichtshalber sollten beide angeschrieben werden, da oft für den Laien nicht klar erkennbar ist, wer Verkäufer des Fahrzeuges ist. In diesen Schreiben sollte eine Frist zur Beantwortung gesetzt werden. Es ist gut möglich, dass die Unternehmen nicht oder verspätet antworten. Die Frist sollte auf jeden Fall so bemessen sein, dass noch rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung gerichtliche Schritte eingeleitet werden können.

VW will sich in Bezug auf die vom Abgasskandal betroffenen Autos bis Ende 2017 nicht auf eine Verjährung berufen. Bis dahin ist aber nicht mit einer abschließenden Klärung der Rechtslage durch die Gerichte zu rechnen. Wer Ansprüche stellen will, muss deshalb vorher tätig werden.

ACV: Empfehlen Sie, einen Rechtsanwalt einzuschalten?

Biermann: Spätestens ab diesem Zeitpunkt muss die weitere Bearbeitung in die Hände eines Rechtsanwaltes gegeben werden.

ACV: Wer trägt die Kosten?

Biermann: Die Höhe der Rechtsanwalts-und Gerichtskosten richten sich nach der Höhe des Streitwertes. Die Beurteilung kann nur individuell erfolgen, daher schlage ich folgende Vorgehensweise vor:

  • Inanspruchnahme der telefonischen Rechtsberatung, die der ACV für seine Mitglieder bereithält. Die in der Rechtsberatung tätigen Rechtsanwälte können zumindest eine grundsätzliche Einschätzung geben, ob eine Weiterverfolgung erfolgversprechend ist.
  • Bei einer positiven Einschätzung ist eine individuelle Erstberatung durch einen Rechtsanwalt zur Frage der Erfolgsaussichten und einer Schätzung der Kosten einzuholen. Diese Beratung ist kostenpflichtig. Für Verbraucher beträgt die Gebühr für das Erstberatungsgespräch 190,00 €, soweit keine besondere Honorarvereinbarung getroffen wird.
  • Ist eine Rechtsschutzversicherung vorhanden, sollte eine Deckungszusage eingeholt werden. Die Einholung der Deckungszusage sollte durch den Anwalt erfolgen, damit klar ist, ob und in welchem Umfang die Kosten von der Rechtsschutzversicherung übernommen werden. Die Deckungszusage umfasst auch die Kosten der Erstberatung. Liegt die Deckungzusage vor, ist die Geltendmachung der Ansprüche vollumfänglich abgedeckt.

ACV: Was empfehlen Sie, wenn ich die Kosten selbst tragen muss?

Biermann: Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang ich meine Rechte geltend machen will, hängt von den persönlichen Umständen ab. Es ist zu bedenken, dass im Falle einer Klageabweisung neben den eigenen Anwaltskosten und den Gerichts- und Sachverständigenkosten auch noch die gegnerischen Anwaltskosten zu tragen sind.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten die Prozesskostenfinanzierer an. Diese überprüfen die individuellen Dokumente daraufhin, ob Ansprüche bestehen. Ist dies der Fall, übernehmen sie das Kostenrisiko. Bezahlt werden sie nur im Erfolgsfall per Provision. Sie arbeiten in der Regel mit den spezialisierten Anwaltskanzleien zusammen. Auch die Prozesskostenversicherer finden Sie im Internet.

ACV: Welche Rechte haben Dieselkäufer, wenn die Sachmängelfrist bereits abgelaufen ist?

Biermann: Schön wäre es, wenn der Verkäufer und/oder der Hersteller auf die Einrede der Verjährung verzichten würde. Ist dies nicht der Fall, ist die Geltendmachung von Sachmängelansprüchen nicht mehr möglich.

Es gibt jedoch noch eine Möglichkeit, Schadensersatz zu bekommen, wenn eine arglistige Täuschung oder eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorliegt. Die Staatsanwaltschaft ist schon aktiv geworden. Es bleibt abzuwarten, zu welchen Ergebnissen die Ermittlungen kommen.

Der Berliner Diesel-Gipfel hat für den Besitzer eines betroffenen Dieselfahrzeuges keine Klarheit gebracht. Ich hätte mich gefreut, wenn der Weg für eine Sammelklage frei gemacht worden wäre.

ACV Rechtsanwalt Wolfgang Biermann

ACV: Aktuell starten Autohersteller Rückrufaktionen. Müssen Autofahrer dem Rückruf Folge leisten?

Biermann: Liegt ein Sachmangel vor, kann der Hersteller von sich aus Nachbesserung im Rahmen einer Rückrufaktion anbieten. Derzeit werden freiwillige Rückrufaktionen für Dieselfahrzeuge auf den Weg gebracht. Wer gegen einen Hersteller klagen will, sollte seinen Wagen nicht verändern.

Es ist bekannt, dass VW als Hersteller den betroffenen Kunden schriftlich die Nachrüstung in seinen Vertragswerkstätten anbietet. Dort soll die Software verändert werden. Es gibt aber noch keine Erfahrung, ob und gegebenenfalls welche langfristigen Auswirkungen die Reparatur auf das Fahrverhalten, den Verbrauch und den Verschleiß hat.

Die Hersteller wollen nach den Erklärungen auf dem Diesel-Gipfel garantieren, dass die Nachbesserung keine Nachteile auf Kraftstoffverbrauch etc. hat. Eine verbindliche, überprüfbare Erklärung liegt bisher nicht vor.

Wer sein Auto nachrüstet, sollte eine schriftliche Vereinbarung mit dem Verkäufer treffen, da die Auswirkungen der Reparatur unbekannt sind. Diese soll beinhalten, dass sich der Verkäufer die Durchführung der technischen Maßnahmen seitens VW wie eine eigene Nachbesserung zurechnen lässt.

Weigert sich der Verkäufer, empfiehlt es sich, anwaltliche Beratung zum weiteren Vorgehen einzuholen.

ACV:  Was passiert, wenn ich die Nachbesserung verweigere?

Biermann: Die verabredeten Software-Updates sind freiwillig. Handelt es sich aber um einen offiziellen Rückruf oder wird die Rückrufaktion durch das Kraftfahrtbundesamt selbst angeordnet und man verweigert die Nachrüstung, dann erlischt die Betriebserlaubnis und das Fahrzeug wird stillgelegt.

ACV: Muss ich ein bestelltes Dieselfahrzeug unter den gegebenen Umständen abnehmen?

Biermann: Nach den jetzigen Erkenntnissen kann die Abnahme ohne finanzielle Einbußen nicht verweigert werden. Eine Abnahme nur unter dem Vorbehalt der Geltendmachung von Sachmängelrechten hinsichtlich erhöhter Abgas- oder Verbrauchswerte ist ratsam. Dies sollte schriftlich erklärt werden.

ACV: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

Biermann: Das Vertrauen der Verbraucher in die Autoindustrie ist durch die Skandale tief erschüttert. Bis jetzt kann sich nur derjenige adäquat wehren, der durch eine Rechtsschutzversicherung abgesichert ist. Auch als Anwalt würde ich es begrüßen, wenn die Automobilunternehmen freiwillig ihrer Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden, insbesondere durch eine Nachbesserung, die die Mängel tatsächlich beseitigt.

Da viel Geld im Spiel ist, habe ich meine Zweifel, ob dieser Weg beschritten wird. Die Klärung aller Fragen durch die Gerichte ist langwierig. Der Berliner Diesel-Gipfel hat für den Besitzer eines betroffenen Dieselfahrzeuges keine Klarheit gebracht. Ich hätte mich gefreut, wenn der Weg für eine Sammelklage frei gemacht worden wäre. Dadurch wäre das Gleichgewicht zwischen Kunden und Unternehmen hergestellt worden.

Vielen Dank für das Gespräch.

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